An einem ausnahmsweise ruhigen Tag, um nicht vor Langeweile zu sterben, begann ich mit einem Kugelschreiber in meinem Notizbuch herumzukritzeln. Aber langsam, wie von sich selbst, wurden Linien, Striche, Punkte und Kreise verflochten und letztendlich wurden sie zu einem komischen Gesicht. Das Resultat gefiel meinen Kollegen sehr, und sie fingen an, mir ermunternde Reden zu halten, dass ich mit diesem "Zeitvertrieb" weitermachen soll. Das Notizbuch wurde langsam zu einem Skizzenblock und fand keine Ruhe bis es bis auf die letzte Seite mit meinen Zeichnungen gefüllt wurde. Im weiteren habe ich beschlossen, dass schwarz statt blau einen viel besseren Eindruck hinterlässt und kam auf die Idee, mir ein Notizbuch ohne das Arbeitslogo zu besorgen...


Weiß nicht, wie ich es früher schaffte, ohne dieses meine Hobby zu existieren, es wurde jetzt zu einer Droge und ich drogenabhängig. Neue Ideen kommen im Schlaf, bei der Arbeit, in den vollgepackten U-Bahnzägen, im Fitnessstudio ... eigentlich, überall... Deshalb schleppe ich nun immer irgendeinen Zettel mit, damit sich meine Einfälle nicht gleich in der Luft auflösen.

Ich zeige Ihnen jetzt, was sich alles inzwischen angesammelt hat. Bei weitem nicht immer krige ich ein Bild gezeichnet, um das sich all meine Gedanken herumkreisten. Es ist halt so, dass wenn ich mit dem Kugelschreiber das Papier berühre, gerät meine Hand  außer Kontrolle und zeichnet einfach vor sich hin, ohne dass sich die Spuren der ursprünglichen Idee im wenigsten erkennen lassen.
 
"Ich sehe was, was du nicht siehst"
Zum Modell wurde unfreiwillig (sowohl für mich,
als auch für sich selbst) eine Kollegin
"Fragil"
Das Herz ist viel zu fragil,
als dass man mit ihm zu nachlässig umgehen dürfte.
 
"Ein bisschen Farbe und ein Funke in den Augen" 
 
"Granathalskette"
 

"Der Schreck meiner Alpträume"
Der Mensch ist zu verletzlich... schutzlos vor eigenen Träumen...
Kaum einer findet genug Kraft dazu, eigene Alpträume zu bekämpfen...
eigene Alpträume, die tückisch genug sind, verschiedene Formen anzunehmen
und dahin heimlich zu schleichen, woher es keinen Ausweg gibt...

Um den echten Kern, die Seele der Sache zu ersichten, reichen die Augen selbst bei weitem nicht aus...
Das Äußere ist irreführend und wechselhaft. Die überirdische äußere Schönheit kann nur selten
dem schonungslosen Einfluß der Zeit standhalten, die sie in Falten legt, in alle Seiten auseinanderzerrt...
Hier mal Stopp mit der Aufzählung der widerlichen Merkmale der körperlichen Älterung ...
Die innere Welt aber ist außerhalb der Reichweite der Zeit, denn sie ist viel zu gut versteckt...
sodass sie auch nicht mit den Augen zu erblicken ist...
und alle Sinnesorgane in Kombination mit einer ganzen Gefühlspallette bedarf, um identifiziert zu werden... 
(Abdrücke meiner Hände)
 
"Sauer"
Im Radio lief "Elle me dit"
 
"Coole Ziege"
Mama hat hier Ähnlichkeit mit sich selbst gesehen... Zitat: "Karikatur auf mich!"
Hm... ich sehe die einzige Ähnlichkeit in zerzausten Haaren....))"
 

"Fisch-Hefebrötchen"
Aus lauter Linien und Punkten lassen sich unzählige Formen schaffen
"Bella Italia" 
Meine Cousine hat das Bild "Spermotoxicosis" getauft. Ich wollte mich wehren:
"Sieht es denn nicht eher nach der Geburt des neuen Lebens aus?". Aber die Cousine war nicht zu überreden:
"Kann sein. Aber eins ist klar: Spermien sind da bestimmt))))" 
 
"Happy dreamer". Im Traum gefangen))
Der Traum (bzw. das Schlafen) ist für mich zum heiligen Thema geworden,
da ich in letzter Zeit nur etwa 4 Stunden Schlaf pro Tag kriege.
 
"Der Sternezähler"
Seine ganze Existenz besteht daraus, Sterne zu zählen...
Verzweiflung schleicht langsam in sein Herz, die Sterne sind ja so unnahbar...
Dem Sternezähler fällt es immer schwerer, den Sinn seines Lebens nachzuvollziehen...
 
"Die Wiedervereinigung mit der Natur"
Der Mensch ist unbegründet hochnäsig. In seinem Stolz und dem Wunsch, Herr der Natur zu sein,
bemerkt er nicht, dass viele Eigenschaften unseres Körpers, unseren Ursprung verraten...
Gucken Sie mal auf Ihre Hande: sie sind von winzigen Riefen bedeckt
(die sich sehr den Mustern am Baumstamm ähneln)

 
 
Wenn wir der griechischen Mythologie Recht geben würden,
 wurden beide Geschlechter
ursprünglich zu einem einzigen Wesen verflochten - Androgin...
Seit dieses Wesen in zwei gespaltet wurde, müssen sie ständig
 unter dem Fehlen der zweiten Hälfte leiden und nach ihr suchen ...
 
 
Wenn man nicht bereit ist, seine "Abdrücke" auf diese Welt zu anzubringen,
soll man dafür bereit sein, dass die Welt iihre Abdrücke an einem hinterlässt...
Von der Individualität kann dann keine Rede sein...
 
 
Modell Sascha Erdmann
Muss zugeben... hab eine Macke... Bin keine Ausnahme und leide an der Krankheit der Gegenwart: surfe gerne im Internet, werde gerne vom virtuellen Wind durch soziale Netzwerke herumgetrieben. Wonach suche ich? Ich suche interessante Bilder, Inspirationsquellen, schöne Musik etc. Ich suche unter anderem auch interessante, einprägsame Gesichter (hä? ist das eine maniakalische Störung?)... Sie müssen sich dabei gar nicht unbedingt durch Schönheit (wie sie nach zeitgenössischen Kriterien definiert wird) unterscheiden.                        
 
 
Judith Hermann
Bin keine leidenschaftliche Leserin ihrer Werke. Aber ihr Gesicht fällt sehr gut unter die Kategorie "einprägsam", die oben beschrieben wurde.